Ein Bekenntnis zu den Erneuerbaren – und dann so weiter wie bisher?

Die Klage der RWE gegen die Abschaltung des Atommeilers Biblis I als Folge des von der Bundesregierung verfügten Moratoriums war für Ministerpräsident Seehofer am vergangenen Montag Anlaß, das Wohlverhalten der Energiekonzerne in dieser politisch und gesellschaftlich bedeutenden Stresstest-Entscheidung einzufordern. In landesväterlicher Manier stellte er den Konzernen dafür in Aussicht: „Schließlich müssen wir ja auch in Zukunft vertrauensvoll zusammen arbeiten!“

Selbstverständlich müssen CDU/CSU jetzt, nachdem die Stimmungslage in der breiten Öffentlichkeit umgeschlagen hat, aus wahltaktischen Gründen das Feld des Energiewandels besetzen, wenn sie politisch überleben wollen. Das ist frei von politischen Erwägungen durchhaus im Interesse der Sache. Nur darf Herr Seehofer nicht übersehen, dass die Entwicklung der Erneuerbaren Energien schon in einem jahrzehnte dauernden Prozeß gewachsen ist. Es würde einen verhängnisvollen Rückschlag bedeuten, zu glauben, man müsse jetzt „das Rad neu erfinden“, könne auf die Erfahrungen der Initiatoren des Wandels verzichten und den Entwicklungsprozeß wieder von vorn beginnen.

Den Energiekonzernen für die Zukunft eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in Aussicht zu stellen, ist nicht mit den strategischen Zielen der bürgerlichen Bewegung, die den Energiewandel betreibt, vereinbar. Der Wechsel zu den Erneuerbaren Energien wird sich nicht unter der Dominanz der staatlich autorisierten Energiekonzerne vollziehen. Die über mehr als 150 Jahre andauernde Entwicklungsgeschichte der Stromkonzerne unter dem Mandat der Regierungen ist beendet, weil die technischen Möglichkeiten der Erneuerbaren einer Konzentration der Kräfte nicht mehr bedarf.  Die künftige Energieversorgung wird in regionalen Größenordnungen organisiert werden, transparent, bürgerorientiert und frei von dem undurchsichtigen Mandat marktbeherrschender Konzerne, die in erster Linie ihren Kapitalgebern verpflichtet sind. Arbeitsplätze und Kaufkraft werden in der Region bleiben. Wer sich über diesen Weg informieren will, dem sei das Buch eines der größten Wegbereiters der Erneuerbaren Energieentwicklung, Hermann Scheer mit dem Titel „Der energetische Imperativ“ zur Lektüre empfohlen.

Die Karten werden neu gemischt. Der Weg zum vollständigen Wechsel zu erneuerbaren Energien wird von vielen neuen Akteuren getragen werden. Die Energiekonzerne haben die Möglichkeit, daran teilzunehmen, wenn sie sich der Entwicklung anschließen und diese als Teilnehmer unter anderen mittragen.

Da das Ziel des Energiewandels nunmehr auf den breiten Schultern der Bevölkerung ruht, kommen auf deren Förderer neue Aufgabenstellungen zu. Sie müssen dafür sorgen, daß der von jahrzehntelanger Erfahrung getragene Prozeß kontinuierlich fortgesetzt wird und jetzt nichts „aus dem Ruder läuft“.

Kommentare zu diesem Beitrag sind ausdrücklich erwünscht.

Ein Kommentar

  • Martin Winter

    Ich kann diesem Artikel nur voll zustimmen. Allerdings meine ich, dass es nicht nur Aufgabe der bisherigen Förderer sein wird, den bisherigen Prozess kontinuierlich fortzusetzen. Stattdessen stehen wir jetzt vor einem Quantensprung, und es gilt, hier und jetzt den Absprung zu schaffen, den Ausstieg aus der Atomenergie kurzfristig und radikal durchzusetzen!

    Die Energiewende ist jetzt nicht mehr nur fernes Ziel einer Jahrzehntelangen Entwicklung. Sie ist ab heute auf breiter Front Realität.

    Es darf kein weiteres Tschernobyl und Fukushima mehr geben! Das haben auf Grund der aktuellen Ereignisse nun breite Massen der Bevölkerung verstanden. Nehmen wir den Schwung auf und setzen die Energiewende jetzt um. Hier bei uns, ganz konkret.

    PS: Beziehen Sie schon erneuerbaren, atomstromfreien Ökostrom? Nein? Dann ist es jetzt höchste Zeit zum Wechsel!